Protonentherapie – Strahlen der Zukunft
Shownotes
Francesca Albertini, Medizinphysikerin und Projektleiterin, forscht am Paul Scherrer Institut (PSI) im Kanton Aargau an einer besonderen Art der Bestrahlung: der Protonentherapie. Diese gibt es in der Schweiz nur am PSI. In dieser Podcast-Folge begleiten wir einen Patienten mit Hirntumor bei seiner Behandlung. Die Stiftung Krebsforschung Schweiz unterstützt die Forschung dazu. Radio-Onkologe Dominic Leiser erklärt: «Das Ziel ist eine noch präzisere Bestrahlung von Tumoren und weniger Nebenwirkungen.» Die Strahlendosis wird dafür täglich neu berechnet und dem Körper des Patienten angepasst. Wie bei Felix M. – 34 Jahre alt, verheiratet, Vater einer kleinen Tochter. Im Mai 2025 erhielt der Informatiker die Diagnose Hirntumor: «Das war ein Schock!». Wie die Therapie genau abläuft, was die Vorteile sind und wer in Zukunft ebenfalls davon profitieren könnte, erfahren Sie in dieser Folge.
Hilfreiches Wissen in dieser Episode zu:
- Krebs
- Krebsforschung
- Hirntumor
- Strahlentherapie
- Protonentherapie
- Radio-Onkologie
- Adaptive Bestrahlung
- MRT
- Individuelle Krebsbehandlung
Mehr zum Podcast «Wissen gegen Krebs»
Hinter jeder Erkrankung steckt eine ganz persönliche, bewegende Geschichte, hinter jedem Forschungsprojekt ein engagierter Mensch, der ein klares Ziel verfolgt. Die Podcast-Serie «Wissen gegen Krebs» bringt diese beiden Pole zusammen: Eine Person mit Krebsdiagnose und ein Vis-à-vis in der Forschung, das alles daransetzt, dass Heilung nach einem Krebsbefall zur Regel wird.
Die Podcast-Serie sendet direkt aus dem trauten Heim, dem Spital, dem Labor oder dem Behandlungszimmer und gibt Einblick in die von der Stiftung Krebsforschung Schweiz unterstützten Projekte.
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Transkript anzeigen
00:00:02: Ein Podcast der Krebsforschung Schweiz.
00:00:14: Mit Hightech gegen Krebs.
00:00:16: In dieser Podcast-Folge tauchen wir in ein faszinierendes Gebiet ein, an dem Forschende am Paul Scherrer Institut, dem PSI im Kanton Aargau, arbeiten.
00:00:28: Wir begleiten einen Patienten mit einem Hirntumor zu einer Protonentherapie.
00:00:33: Eine bestimmte Art der Bestrahlung, die es in der Schweiz nur hier am PSI gibt.
00:00:39: Die Forschung dazu wird von der Stiftung Krebsforschung Schweiz unterstützt.
00:00:44: Das ist Wissen gegen Krebs, der Podcast der Stiftung Krebsforschung Schweiz.
00:00:50: Ich bin Rebekka Haefeli.
00:00:55: Am PSI erwartet mich an einem Mittwochmorgen kurz vor 8 Uhr der Radio-Onkologe Dominic Leiser.
00:01:02: Er nimmt mich mit in den Bereich, wo sonst nur Angestellte vom PSI und Patientinnen oder Patienten zutritt haben.
00:01:12: Der Patient, der nachher gleich dazukommt, wird also mit Protonen bestrahlt.
00:01:18: Beziehungsweise sein Kopf wird bestrahlt, in dem ein aggressiver Hirntumor gewachsen ist.
00:01:25: Die Protonentherapie ist anders als die Photonentherapie, die man sonst aus der Krebsbehandlung kennt.
00:01:32: Der Radio-Onkologe Dominic Leiser erklärt:
00:01:35: In den anderen Zentren verwenden sie Photonen zur Therapie.
00:01:38: Die Photonen gehen wie beim Röntgenbild ganz durch den Körper hindurch.
00:01:43: Wenn wir den Protonenstrahl verwenden, hat das den grossen Vorteil, dass der Protonenstrahl eine endliche Reichweite hat.
00:01:51: Wie stark die Protone in das Geweb eindringen, hängt davon ab, wie viel Energie sie haben.
00:01:56: Wir können die Energie steuern.
00:01:58: Wenn die Protonen mehr Energie haben, gehen sie tiefer in den Körper.
00:02:01: Wenn sie weniger Energie haben, weniger tief.
00:02:04: Das heisst, dass auch Organe, die darum herumliegen, weniger Dosis bekommen.
00:02:09: Das Ziel ist also eine noch präzisere Bestrahlung von Tumoren.
00:02:14: Am PSI wird der klinische Teil, also die Behandlung von Betroffenen, mit Forschung kombiniert.
00:02:21: In einem aktuellen Projekt geht es darum, dass die Protonentherapie täglich an die Situation des Patienten oder der Patientin angepasst wird.
00:02:30: Das heisst, sie wird jeden Tag an die Anatomie des Körpers angepasst, weil die dynamisch ist und schwankt.
00:02:38: Zum Beispiel, wenn sich Schleim in den Nasennebenhöhlen ansammelt oder es Schwellungen gibt.
00:02:44: Darum wird in diesem Projekt am PSI die Strahlen-Dosis jeden Tag neu und individuell berechnet.
00:02:51: Die Radiotherapie ist schon präzise, aber es ist ein weiterer Schritt in der Präzision, dass man nicht nur einen Plan für die Therapie am Anfang macht und über sechs Wochen den gleichen Plan appliziert, sondern, dass man den Plan wirklich auf die Situation des Tages anpasst.
00:03:05: Das alles passiert dank einer speziell entwickelten Software online im Hintergrund, wie wir jetzt dann gleich sehen.
00:03:13: Der Patient Felix M. ist in der Zwischenzeit am PSI eingetroffen.
00:03:19: Er ist 34, Informatiker und wohnt mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter in St. Gallen.
00:03:26: Mit der Diagnose Hirntumor wurde er im Mai 2025 konfrontiert.
00:03:33: Ich hatte im Verlauf des Märzes starke Kopfschmerzen, die mit Tabletten praktisch nicht weggegangen sind.
00:03:41: Und dann bin ich mal in den Notfall gefahren und dann wurde der Tumor festgestellt.
00:03:48: Am nächsten Tag schon wurde Felix M. operiert.
00:03:52: Und dann haben wir drei oder vier Wochen gewartet auf das Ergebnis vom Tumorboard.
00:03:57: Und dann wusste ich, was es ist.
00:03:59: Das war ein ziemlicher Schock.
00:04:01: Das ist ein Astrozytom vierten Grades.
00:04:04: Also eine sehr aggressive
00:04:07: Art
00:04:07: und unheilbar.
00:04:10: Also die Gefahr ist, dass es jederzeit wiederkommt.
00:04:13: Als Familie hat uns das durcheinandergebracht.
00:04:16: Es hat mich so ziemlich durcheinandergeworfen.
00:04:18: Und das hat uns erschüttert.
00:04:21: Es ging dann Schlag auf Schlag.
00:04:23: Parallel zur Bestrahlung bekommt Felix M. eine Chemotherapie mit Tabletten.
00:04:29: Ans PSI, das Paul Scherrer Institut, kommt er sechs Wochen lang jeden Werktag.
00:04:40: Felix M. wird in den Behandlungsraum begleitet, wo er sich auf den Behandlungstisch legt.
00:04:46: Ich bekomme wie alle anderen ein Dosimeter, bevor wir reingehen.
00:04:50: Was passiert jetzt?
00:04:52: Das ist die Positionierung auf dem Behandlungstisch.
00:04:56: Da sieht man auch die Lagerungshilfe, die hilft, den Kopf immer in der gleichen Position zu halten.
00:05:01: So einen Zahnabdruck, der ihm hilft, dass man den Kopf möglichst wenig bewegt während der Therapie.
00:05:08: Felix M. beisst auf eine Art Mundstück, das seinen Kopf in den nächsten Minuten in der exakt gleichen Position hält.
00:05:15: Gehen wir wieder raus?
00:05:18: Ich begleite den Radio-Onkologen Dominic Leiser in den Kontrollraum, wo wir auf einem Bildschirm sehen, wie Patient Felix M. im Behandlungsraum liegt.
00:05:29: Zuerst gibt es eine CT-Aufnahme vom Schädel und dann, nach einer kurzen Pause, folgt die eigentliche Bestrahlung.
00:05:36: Im Hintergrund wird die optimale Strahlen-Dosis über die Online-Plattform automatisch berechnet.
00:05:43: Es ist eben diese Plattform, die ermöglicht, dass man innerhalb von wenigen Minuten die CT-Aufnahme macht, die Strukturen definiert, also wohin der Strahl kommen muss, wo die Risikoorgane sind, dass man Berechnungen macht, den Plan für den Tag optimiert, kontrolliert, dass alles richtig ist und der Plan oder die Therapie appliziert.
00:06:02: Kontrolliert wird die Berechnung, bevor die Strahlen appliziert werden, von einem Radio-Onkologen und einem Medizinphysiker.
00:06:10: Die zwei stehen im Kontrollraum nebeneinander vor einem Monitor und überprüfen den Plan, der für mich einfach nach einem Gewirr von Zahlen und Kurven aussieht.
00:06:21: Die ganze Vorbereitung und Behandlung dauern alles in allem nur wenige Minuten.
00:06:27: Dann kommt Patient Felix M. aus dem Behandlungsraum heraus.
00:06:31: Ich will wissen, wie es für ihn
00:06:34: war.
00:06:35: Man gewöhnt sich daran.
00:06:36: Man ist ziemlich fixiert mit diesem Beissdings.
00:06:40: Es ist nicht unangenehm.
00:06:42: Es schmerzt nicht.
00:06:44: Auch von der Therapie merkt man quasi nichts?
00:06:47: Nein, man ist danach ein bisschen benebelt, würde ich sagen.
00:06:51: Ein bisschen müde.
00:06:57: Felix M. ist einer der zehn Patientinnen und Patienten, die bisher am PSI mit dieser speziellen Art der Protonentherapie behandelt wurden.
00:07:07: Die Kapazität ist momentan noch stark beschränkt und es braucht noch relativ viel Personal, um die tägliche adaptive Bestrahlung durchzuführen.
00:07:20: Die Optimierung der Arbeitsabläufe ist ein Ziel des aktuellen Forschungsprojekts am PSI mit Unterstützung der Stiftung Krebsforschung Schweiz.
00:07:30: Federführend bei diesem Projekt ist das Team rund um die Medizinphysikerin Francesca Albertini.
00:07:38: Die Motivation ist, die Krebsbehandlung noch präziser und individueller zu gestalten.
00:07:45: Wir hatten ein erstes Projekt 2018.
00:07:52: Das war, um den ganzen Workflow zu organisieren, sodass wir mit der Bestrahlung für den Kopf anfangen
00:08:02: konnten.
00:08:02: Das Ziel ist, auch Patientinnen und Patienten mit anderen Tumoren als solche im Kopf zu behandeln.
00:08:09: Das braucht aber Anpassungen, sagt Francesca Albertini.
00:08:14: Weil sich zum Beispiel im Bauch die Anatomie durch die Füllung der Blase oder durch Darmbewegungen ständig verändert.
00:08:22: Viel mehr als im Kopf.
00:08:24: Dank der Förderung der Krebsforschung konnte man am PSI eine wissenschaftliche Mitarbeiterin anstellen, die wertvolle Daten sammelt, um das Projekt voran zu bringen.
00:08:36: Ein weiterer Aspekt des Forschungsprojekts ist, dass man in Zukunft gerne MRI- statt CT-Bilder verwenden würde.
00:08:45: Die Vorteile von MRI-Bildern wären, dass wir die inneren Organe von den Patienten besser sehen könnten.
00:08:57: Und der zweite Vorteil wäre, dass diese Bilder ohne Ionisierungsstrahlung sind.
00:09:05: Das hilft, die Bildgebungsdosis der Patienten
00:09:12: zu reduzieren.
00:09:12: Man will damit also potenzielle Nebenwirkungen für Patientinnen und Patienten reduzieren.
00:09:19: Bis jetzt kommt das spezielle Verfahren mit MRI-Bildern noch nicht infrage.
00:09:24: Es ist nicht so einfach, die Distanzen der Protonen mit MRI-Bildern zu berechnen.
00:09:35: Und das hat damit zu tun, dass die Informationen, die wir mit MRI kriegen, ganz anders sind als die von einem CT.
00:09:48: Mit einem CT können wir die Distanzen der Protonen zum Patienten einfacher berechnen.
00:09:57: Mit diesen Fragen beschäftigt sich nicht nur ihr Team am PSI, sondern Forschungsgruppen auf der ganzen Welt.
00:10:05: Und das Ziel wäre, sagt Francesca Albertini, dass in Zukunft viel mehr Patientinnen und Patienten von dieser Behandlung profitieren
00:10:14: können.
00:10:15: Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, dass die Krebsforschung diese Projekte fördert, weil diese auch sehr wichtig
00:10:24: für
00:10:24: unsere Patienten sind.
00:10:26: Und dieses Projekt hat ein grosses Potenzial, um die Prognosen der Patienten zu verbessern, die bei
00:10:36: Krebs bestrahlt werden.
00:10:59: Ein Podcast der Krebsforschung Schweiz.
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