Brustkrebs beim Mann – zwischen Tabu und Wissenslücke

Shownotes

«Brustkrebs bei Männern? Gibt es das?» Eine Frage, die Roland Z. immer wieder hört. Er gehört zu den wenigen Männern, die jährlich diese Diagnose erhalten. In dieser Folge spricht er offen über seinen Weg: vom Moment, als er den Knoten entdeckte, bis zur Therapie, und wie es ist, mit einer Krankheit zu leben, die fast nur mit Frauen in Verbindung gebracht wird. Auch sein damaliger Arzt, der Onkologe Prof. Stefan Aebi vom Luzerner Kantonsspital, kommt zu Wort. Er erklärt, warum männlicher Brustkrebs in der Forschung kaum beachtet wird, weshalb das ein Problem ist und was sich dringend ändern muss. Für ihn ist klar: Gerade, weil die Erkrankung bei Männern so selten ist, braucht es mehr Wissen.

Hilfreiches Wissen in dieser Episode zu:

  • Krebs
  • Krebsforschung
  • Brustkrebs
  • Männergesundheit
  • Gendermedizin
  • Lymphknoten
  • Brustwarze
  • Knoten
  • Chemotherapie

Mehr zum Podcast «Wissen gegen Krebs»

Hinter jeder Erkrankung steckt eine ganz persönliche, bewegende Geschichte, hinter jedem Forschungsprojekt ein engagierter Mensch, der ein klares Ziel verfolgt. Die Podcast-Serie «Wissen gegen Krebs» bringt diese beiden Pole zusammen: Eine Person mit Krebsdiagnose und ein Vis-à-vis in der Forschung, das alles daransetzt, dass Heilung nach einem Krebsbefall zur Regel wird.

Die Podcast-Serie sendet direkt aus dem trauten Heim, dem Spital, dem Labor oder dem Behandlungszimmer und gibt Einblick in die von der Stiftung Krebsforschung Schweiz unterstützten Projekte.

Jeden Monat wird eine neue Folge veröffentlicht. Hören Sie rein und abonnieren Sie den Podcast

Transkript anzeigen

00:00:02: Brustkrebs ist

00:00:14: die häufigste Krebsart bei Frauen.

00:00:16: Aber es gibt auch Männer, die von Brustkrebs betroffen sind.

00:00:20: Ja, die häufigste Reaktion ist schon, dass die Leute erstaunt sind.

00:00:25: Dass sie sagen, was? Brustkrebs bei Männern? Gibt es das?

00:00:28: Das

00:00:30: ist Roland Z.

00:00:32: Er ist heute 58.

00:00:34: Er ist Brustkrebs-Patient und damit ein ungewöhnlicher Fall.

00:00:39: Das bestätigt auch der Spezialist, Onkologe Stefan Aebi.

00:00:44: Es gibt praktisch niemanden in der Schweiz, der nicht jemanden kennt.

00:00:47: In der Bekanntschaft, Verwandtschaft, der Brustkrebs hatte.

00:00:49: Aber es sind halt fast alles Frauen.

00:00:51: Und Männer sind da doch eine exotische Erscheinung.

00:00:57: Um Brustkrebs bei Männern geht es in dieser Folge von "Wissen gegen Krebs", dem Podcast der Stiftung Krebsforschung Schweiz.

00:01:06: Ich bin Rebekka Haefeli und in dieser Podcast-Folge erzählt Roland Z., wie er den Krebs entdeckt hat und wie er behandelt wurde.

00:01:15: Der Onkologe Stefan Aebi sagt, warum Forschung gerade bei Brustkrebs bei Männern wichtig ist, und wo die blinden Flecken sind.

00:01:24: Seine Forschung wurde von der Stiftung Krebsforschung Schweiz unterstützt.

00:01:32: Zuerst mal ordnet er ein, wie exotisch oder wie selten Brustkrebs bei Männern in der Schweiz tatsächlich ist.

00:01:41: Pro Jahr haben wir etwa sechseinhalb Tausend Neu-Diagnosen von Brustkrebs.

00:01:46: Und von denen ist etwa 0,7 Prozent, das sind etwa fünfzig Leute, Männer.

00:01:52: Wir sind in dieser Grössenordnung.

00:01:54: Unser Treffen findet am Luzerner Kantonsspital statt.

00:01:58: Hier war Stefan Aebi bis Ende Januar 2025 Chefarzt von der medizinischen Onkologie.

00:02:05: Er ist heute Senior Consultant.

00:02:09: Er gehört zum Team, das Roland Z. am Tumor-Zentrum des Luzerner Kantonsspitals behandelt hat.

00:02:16: Roland Z.'s

00:02:19: Krankheitsgeschichte hat aber schon vor bald zwanzig Jahren angefangen.

00:02:23: Dort war er noch woanders in Behandlung.

00:02:27: Das war Herbst 2006, als ich einen Knoten in meiner linken Brust feststellte.

00:02:32: Er war ein bisschen druckempfindlich.

00:02:35: Es war unangenehm und ich hatte das Gefühl, es wäre gut, ihn untersuchen zu lassen.

00:02:41: Es wurde dann Sommer 2007, bis ich über die Hausärztin

00:02:46: eine Untersuchung hatte.

00:02:48: Der Befund dort war ein gutartiger Knoten und man hat nichts weiter gemacht.

00:02:54: Roland Z. hat mit dem Knoten weitergelebt.

00:02:58: Er sagt, er sei immer präsent gewesen.

00:03:01: Manchmal nahm er ihn mehr, manchmal weniger wahr.

00:03:04: So ging das viele Jahre bis 2023.

00:03:08: Im Herbst hatte ich das Gefühl, etwas habe sich verändert.

00:03:13: Der Knoten hat sich auch etwas anders angefühlt.

00:03:17: Etwas kleiner zwar, aber etwas kompakter, fester.

00:03:21: Und die Warze hat sich eingezogen, wie ich feststellte.

00:03:26: Bei den meisten Frauen ist das Thema Brustkrebs sehr präsent.

00:03:30: Selber Abtasten und Untersuchungen bei den Gynäkologinnen oder Gynäkologen sind total normal.

00:03:38: Bei den Männern ist das anders.

00:03:40: Roland Z. hat aber schon auch an Brustkrebs gedacht.

00:03:44: Ich habe daran gedacht, dass solche Knoten auch bösartig sein könnten.

00:03:50: Gar nicht so in der Kategorie Brustkrebs.

00:03:52: Ist das jetzt typisch oder nicht, sondern da ist etwas, was mir an meinem Körper auffällt.

00:03:58: Das könnte auch bösartig sein.

00:04:00: Er hat ein ungutes Gefühl und ist nach einer Weile zur Hausärztin.

00:04:05: Man hat Untersuchungen gemacht, Ultraschall, Mammografie, genauso, wie bei Frauen, wenn sie Knoten in den Brüsten entdecken.

00:04:17: Das hat sich dann erhärtet.

00:04:19: Es gab auch Lymphknoten, die suspekt ausgesehen haben, bei denen man aber noch nicht sicher war, ob sie befallen waren.

00:04:27: Ob es sich auch um Krebs handelt.

00:04:30: Da machte man weitere Untersuchungen.

00:04:32: Biopsie, Gewebeprobe, die ergab, dass es ein bösartiger Tumor ist, mit befallenen Lymphknoten.

00:04:38: Die Diagnose stand jetzt also fest.

00:04:44: Anfang 2024 ging es mit den Therapien los.

00:04:49: Man hat nicht gerade sofort operiert, Roland Z. hat zuerst eine Kombination von Immun- und Chemotherapie bekommen.

00:04:58: Das Ziel war, den Tumor zu bekämpfen, zu verkleinern.

00:05:06: Soweit hat dies am Anfang auch reagiert.

00:05:08: In der Mitte der Zeit hat die sichtbare Wirkung etwas stagniert.

00:05:14: Der Tumor war am Schluss etwa auf der halben Grösse von der Startgrösse.

00:05:20: Und wie gross war er am Anfang?

00:05:21: Was war der etwa?

00:05:22: Knapp drei Zentimeter auf zwei, vielleicht so ein bisschen elliptisch, in dieser Grössenordnung.

00:05:31: Die Grösse des Tumors, sagt der Onkologe Stefan Aebi, sei aber nicht einmal das Entscheidendste.

00:05:37: Wichtig ist vor allem, dass die Lymphknoten in der Achselhöhle nicht befallen sind.

00:05:40: Das ist wichtiger als der Durchmesser.

00:05:43: Es ist so etwas wie der Tatbeweis, dass Tumorzellen abwandern können und an einem anderen Ort wachsen.

00:05:49: Das macht das Risiko für einen Rückfall grösser.

00:05:52: Die Einschätzung des Risikos macht es grösser.

00:05:54: Das Risiko ist einfach was es ist.

00:05:55: Aber die Einschätzung macht es grösser, wenn man das sieht.

00:05:58: Roland Z. hat von Chemotherapie heftige Nebenwirkungen gespürt.

00:06:03: Unter anderem war es ihm schlecht.

00:06:05: Die Haut und die Schleimhäute wurden angegriffen.

00:06:08: Er bekam taube Füsse und Finger.

00:06:11: Die Haare fielen ihm aus.

00:06:13: Und er spürte eine grosse Müdigkeit.

00:06:17: Von den Therapien war das erst der Anfang.

00:06:20: Als Nächstes stand ein chirurgischer Eingriff auf dem Plan.

00:06:25: Die Operation kam im Mai.

00:06:28: Entfernung vom Tumor in der Brust plus einiger Lymphknoten.

00:06:34: Die wurden noch während der Operation untersucht, ob man dort noch restliche Krebszellen findet, was der Fall war.

00:06:42: Darum hat man noch weitere, mehrere Lymphknoten entfernt.

00:06:46: Er hat alles gut überstanden, aber spurlos ging das nicht an ihm vorbei.

00:06:52: Es ist schon ein Eingriff.

00:06:54: Es ist auch optisch eine Veränderungen, wenn man sich im Spiegel anschaut, das sieht anders aus.

00:06:59: Die Brustwarze fehlt, die Brust hat eine andere Form.

00:07:02: Und es bringt auch Taubheit mit, weil auch Nerven verletzt werden durch eine Operation.

00:07:09: Das heisst, der Bereich Brust, Achsel, Unterarm fühlt sich heute noch nach einem Jahr nicht an wie vorher.

00:07:20: So eine Taubheit, ein Gefühlsverlust.

00:07:23: Das ist so, was ich von der Operation wahrgenommen

00:07:26: habe.

00:07:27: Arzt Stefan Aebi erklärt, Chirurgen oder viel häufiger bei Brustkrebs Chirurginnen machen im Grunde das Gleiche wie bei Frauen.

00:07:37: Die Struktur von einer Männer- und einer Frauenbrust sei vom Gewebe her sehr ähnlich.

00:07:43: Auch Männer haben Drüsengewebe und entsprechend können sich dort auch Tumoren bilden.

00:07:49: Nachher muss man halt so operieren, dass der Tumor raus ist. Dass der Pathologe, der die Operationspräparate  mikroskopisch untersucht, sagen kann, soweit er das sieht, geht der Tumor nicht bis an die Schnittränder heran.

00:08:05: Und weil die Brust bei den Männern kleiner ist als bei den Frauen, läuft es häufiger darauf hinaus, dass man die ganze Brust entfernt, weil man keinen Platz hat.

00:08:15: Bei Roland Z. ging es nach der Operation weiter mit Bestrahlung.

00:08:20: Daraufhin bekam er nochmals kombinierte Chemo- und Immuntherapie.

00:08:32: Der Onkologe und Forscher Stefan Aebi ist Experte für Brustkrebs bei Männern und sagt, Therapien bei Männern und Frauen unterscheidet sich kaum.

00:08:42: Wir behandeln die Männer fast gleich wie die Frauen.

00:08:45: Und was Herr Z. bisher erzählt hat, sind wirklich Therapien, die wir mit den Frauen exakt gleich machen würden.

00:08:52: Und das ist ein Standard.

00:08:54: Das sei so, weil man es bis jetzt einfach nicht besser wisse.

00:08:59: Alle grossen Untersuchungen mit Tausenden von Patientinnen, die mit zwei verschiedenen Therapien verglichen wurden, um zu sehen, welche ist wirksamer, wurden im Wesentlichen bei Frauen gemacht.

00:09:08: Und erst in den letzten fünf bis zehn Jahren dürfen an Brustkrebs-Studien überhaupt Männer mitmachen.

00:09:15: Aber das sind immer wenige.

00:09:16: Das ist immer weniger als ein Prozent der Teilnehmer.

00:09:19: Und entsprechend ist es schwierig, statistisch eine Auswertung zu machen, die einfach für die Männer gilt.

00:09:25: Wir behandeln die Männer grundsätzlich gleich wie die Frauen.

00:09:28: Mit ganz kleinen Modifikationen.

00:09:30: Die kleinen Modifikationen betreffen z.B.

00:09:34: die sogenannte Anti-Hormontherapie, die der Patient Roland Z. voraussichtlich noch während einiger Jahre bekommt.

00:09:42: Er nimmt Tabletten mit einem Wirkstoff, die die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls senken

00:09:48: soll.

00:09:48: Es wäre nützlich, wenn wir wüssten, ob das wirklich die bestmögliche Anti-Hormontherapie ist, die wir jetzt einsetzen.

00:09:56: Im Moment

00:09:57: nehmen wir ein Mittel, wo wir wissen, dass es funktioniert, aber es ist ziemlich altmodisch und es ist nicht klar, ob man nicht besser könnte.

00:10:04: Vielleicht gäbe es bessere Möglichkeiten, aber im Moment wissen wir das halt nicht.

00:10:09: Roland Z. nimmt selbst an einer internationalen Studie zu Brustkrebs teil, wo Männer und Frauen eingeschlossen sind.

00:10:17: Es geht dort, grob gesagt, um einen Vergleich von chirurgischen Methoden und deren Folgen.

00:10:23: Am Anfang dieser Behandlung hat mir eine Ärztin gesagt, dass ich dank dieser neueren Behandlungsmethode, die es jetzt gibt, dank Forschung und Weiterentwicklung, dank der neuen Verfahren wie einer Immuntherapie deutlich bessere Chancen habe.

00:10:43: Vor zehn, fünfzehn Jahren hätte ich schlechtere Karten gehabt.

00:10:45: Das wurde mir so gesagt.

00:10:47: Aber ich profitiere von Forschung, die schon betrieben wurde, dass man heute solche Möglichkeiten hat.

00:10:54: Ihm geht es heute dank der Therapien, die ihm angeboten wurden, wieder gut.

00:10:59: Kraft schöpft er aus Beziehungen, zu seiner Frau und seinen vier Töchtern, aus der Natur, aus dem Sport und auch dem Glauben.

00:11:09: Eines aber sei seit der Diagnose da, sagt er, eine Ungewissheit, die im seither mehr bewusst sei.

00:11:17: Das ist so ein Thema.

00:11:19: Niemand von uns weiss, was morgen, was in einem Jahr oder in fünf Jahren ist.

00:11:23: Mit dieser Grundunsicherheit, mit der leben wir alle.

00:11:26: Vielleicht ist sie nicht gleich im Bewusstsein, im Alltag drin.

00:11:31: Das ist für mich eine Herausforderung und ein Balanceakt.

00:11:35: Einerseits das hinter mir zu lassen, was war.

00:11:39: Probieren, möglichst im Hier und Jetzt zu leben, so wie ich das gut finde.

00:11:43: Nach vorne zu schauen.

00:11:44: Gleichzeitig aber das Andere auch nicht zu ignorieren oder zu verdrängen.

00:11:49: Stefan Aebi redet mit Roland Z. auch über solche Sachen.

00:11:54: Nicht nur über Blutwerte und Medikamentendosierungen.

00:11:58: Eines ist für den Onkologen klar:

00:12:00: Brustkrebs bei Männern ist eine Krankheit, über die man noch zu wenig darüber weiss.

00:12:05: Auch wenn es zum Beispiel darum geht, die Medikamente noch präziser gegen den Krebs einsetzen zu können.

00:12:14: Und auch die Prävention sei wichtig, sagt Stefan Aebi.

00:12:18: Männer, die etwas Ungewöhnliches an ihrer Brust entdecken, rät er zu einer Abklärung.

00:12:25: Ja, man kann so ein bisschen plakativ sagen, an einem Erwachsenen wächst nichts.

00:12:31: Und, wenn etwas wächst, dann ist das

00:12:34: ein Grund mal zu schauen,

00:12:35: was das ist. Häufig ist es harmlos.

00:12:38: Denn die harmlosen Brustveränderungen sind häufiger

00:12:41: als Brustkrebs.

00:13:05: (Musik) Ein Podcast der Krebsforschung Schweiz

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