Fatigue nach Krebs – Neue Studie bringt Hoffnung
Shownotes
«Ich hätte nie im Leben gedacht, dass man so müde sein kann und so erschöpft!» Sibylle K. leidet an Fatigue, einer unglaublichen Müdigkeit, die sie im Alltag sehr belastet. Vor rund zwei Jahren erhielt sie die Diagnose Lungenkrebs. Heute nimmt sie an einer Studie für Krebsbetroffene zu Fatigue und Schlafstörungen teil. Dabei sollen Achtsamkeitsübungen, das sind eine Art Meditation, oder Akupressur, also Druckpunktmassagen, die Lebensqualität verbessern. Claudia Witt, Professorin für Komplementäre und Integrative Medizin am Universitätsspital Zürich, leitet die Studie. Sie erklärt: «Etwa die Hälfte der Menschen mit Krebs leidet unter Fatigue, bis zu 60 Prozent an Schlafstörungen.» Das Projekt, das von der Krebsforschung Schweiz unterstützt wird, läuft bis 2027. Mehr Informationen zur Studie und einer möglichen Teilnahme (nach Verfügbarkeit) finden Sie auf: www.icanselfcare.ch.
Hilfreiches Wissen in dieser Episode zu:
- Krebs
- Krebsforschung
- Fatigue
- Erschöpfung
- Müdigkeit
- Schlafstörungen
- Selbsthilfe
- Akupressur
- Achtsamkeitsübungen
Mehr zum Podcast «Wissen gegen Krebs»
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Transkript anzeigen
00:00:00: * Sanfte Musik *
00:00:02: Ein Podcast der Krebsforschung Schweiz.
00:00:05: Ich hätte nie im Leben gedacht, dass man so müde sein kann
00:00:18: und wirklich so erschöpft.
00:00:20: Als gesunder Mensch kann man sich das schwer vorstellen.
00:00:23: Sibylle K. leidet unter Fatigue.
00:00:25: Einer unglaublichen Müdigkeit, die im Alltag sehr belastend
00:00:30: für sie ist.
00:00:32: Es fing bei ihr vor rund zwei Jahren
00:00:34: mit einer niederschmetternden Diagnose an.
00:00:37: Aus dem Nichts heraus wurde sie damit konfrontiert,
00:00:40: dass sie an Lungenkrebs leidet.
00:00:43: Und dass der Krebs auch schon Metastasen gebildet hat.
00:00:46: Von einem Tag auf den anderen hat sich das Leben komplett gekehrt.
00:00:50: Ich war mein ganzes Leben immer Vollgas unterwegs,
00:00:53: beruflich, mit der Familie usw.
00:00:56: Ich hatte immer viel Energie.
00:00:58: Und plötzlich ist das Energielevel, wie wenn der Akku alt wäre.
00:01:02: Im Vergleich zu früher habe ich noch einen Drittel der Energie
00:01:06: überhaupt zur Verfügung.
00:01:08: Das ist "Wissen gegen Krebs",
00:01:12: der Podcast der Stiftung Krebsforschung Schweiz.
00:01:15: Ich bin Rebekka Haefeli.
00:01:17: Sibylle K. nimmt an einer Studie teil
00:01:21: zu Fatigue und Schlafstörungen bei Krebsbetroffenen.
00:01:24: Auf die Studie aufmerksam wurde sie selbst.
00:01:28: In den sozialen Medien,
00:01:30: wo sie als selbstständige Unternehmensberaterin aktiv ist.
00:01:34: Ich habe auf LinkedIn einen Post gesehen,
00:01:37: in dem die Studie beschrieben wurde.
00:01:40: Ich dachte, das könnte etwas sein, wo ich mich melden kann.
00:01:43: Ich mache auch bei anderen Studien mit.
00:01:46: Ich möchte gerne etwas zurückgeben.
00:01:48: Ich konnte selbst schon von einigen Innovationen
00:01:51: profitieren im Rahmen meiner Erkrankung.
00:01:54: Ich habe mich sehr gefreut,
00:01:56: mich auf etwas Neues einzulassen.
00:01:58: Durch ihre Erkrankung ist Sibylle K. vor rund zwei Jahren
00:02:02: völlig unvorbereitet
00:02:04: aus ihrem erfolgreichen Berufsleben gerissen worden.
00:02:07: Die Müdigkeit bremst die 55-Jährige jeden Tag aus.
00:02:11: Sie ist vom Typ her jemand,
00:02:13: der gerne selber aktiv wird.
00:02:15: Die Studie zu Fatigue und Schlafstörungen,
00:02:18: wovon sie Teil ist, passt darum zu ihr.
00:02:21: Das Forschungsprojekt wird von der Stiftung Krebsforschung Schweiz
00:02:25: unterstützt.
00:02:27: Geleitet wird die Studie von Claudia Witt.
00:02:30: Sie ist Professorin für Komplementäre und Integrative Medizin
00:02:34: an der Universität Zürich.
00:02:36: Claudia Witt sagt, was Sibylle K. erlebe,
00:02:39: sei überhaupt nicht selten.
00:02:41: Viele Krebsbetroffene leiden unter Fatigue und Schlafstörungen.
00:02:46: Es sind ungefähr die Hälfte der Menschen mit einer Krebserkrankung,
00:02:50: die irgendwann unter dieser Fatigue leiden.
00:02:53: Und Schlafstörungen sind 30 bis 60% der Menschen
00:02:56: mit einer Krebserkrankung.
00:02:58: Und wie gesagt, häufig kommt beides auch kombiniert vor.
00:03:01: Nicht nur die Statistik sagt,
00:03:03: dass Fatigue und Schlafstörungen viel vorkommen.
00:03:06: Das merkt die Ärztin Claudia Witt auch in ihrem Alltag.
00:03:10: Ich höre das sehr viel in meiner Sprechstunde.
00:03:13: Und was mir da einfach sehr bewusst geworden ist,
00:03:17: ist, wie sehr das den Alltag beeinflusst.
00:03:21: Im Vordergrund steht natürlich erst mal die onkologische Therapie.
00:03:25: Es geht ja ums Leben.
00:03:27: Aber sowohl die Erkrankungen als auch viele der Therapien
00:03:31: führen halt zu dieser Fatigue oder den Schlafstörungen.
00:03:35: Und ja, ich habe letztens eine Patientin hier sitzen gehabt, die sagt,
00:03:39: ich habe das Gefühl,
00:03:41: ich kriege meinen Alltag lange nicht mehr so bewältigt wie vorher.
00:03:45: Tatsache ist also, es gibt Handlungsbedarf. Auch für die aktuelle Studie,
00:03:48: die das Ziel hat, Betroffene ganz konkret zu unterstützen.
00:03:52: Eigentlich sind es zwei Studien, die zusammenverflechtet sind.
00:03:56: Also, man kann entweder mitmachen, wenn man die Schlafstörungen hat,
00:04:00: oder man kann mitmachen, wenn man die Fatigue hat.
00:04:03: Jetzt hat man es aber sehr häufig, dass Menschen beides haben,
00:04:07: weil das auch sehr häufig parallel vorkommt.
00:04:11: Und dann haben wir innerhalb der Studie, finden wir heraus,
00:04:14: was besser passt. Der Zweck der Studie ist es,
00:04:16: die Lebensqualität von Krebsbetroffenen zu verbessern.
00:04:20: Wir wollen schauen,
00:04:22: ob wenn man regelmässig Akupressur macht oder eine Achtsamkeitsübung,
00:04:26: ob sich das positiv auf Schlafstörungen und die Fatigue auswirkt.
00:04:30: Akupressur und Achtsamkeitsübungen sind zwei Techniken,
00:04:34: die Patientinnen und Patienten selber an sich anwenden können.
00:04:38: Die sogenannten Self-Care-Techniken
00:04:41: werden schon heute zur Behandlung von Symptomen wie Müdigkeit
00:04:45: und Schlafprobleme empfohlen.
00:04:47: Es gibt ja die sogenannten Akupunkturpunkte,
00:04:50: das kommt aus der Chinesischen Medizin,
00:04:53: und bei der Akupressur sticht man dort keine Nadeln ein,
00:04:56: sondern kann selber mit den Fingern so leicht kreisend draufdrücken,
00:05:00: also einen Druckpunktmassage machen.
00:05:03: Und da gibt es dann spezifische Punkte für die Erkrankungen.
00:05:07: Die Achtsamkeit ist ja das Konzept,
00:05:09: dass man versucht, im Hier und Jetzt zu sein
00:05:12: und nicht zu beurteilen, was man dort fühlt oder bemerkt.
00:05:16: Und das haben wir in einer Übung, die ca. zehn Minuten dauert,
00:05:20: mit der man übt, in diesen Zustand zu kommen, umgesetzt.
00:05:25: Achtsamkeitsübungen sind also eine Art Meditation.
00:05:29: Das klingt in der Studie dann so:
00:05:32: Schön, dass du dir Zeit nimmst.
00:05:40: Für dich.
00:05:42: Dir Raum gibst, um bei dir zu sein.
00:05:46: Mach es dir dafür im Sitzen bequem.
00:05:49: Den Rücken vielleicht eher aufrecht.
00:05:52: In der Studie geht es darum, dass die Techniken
00:05:56: in einem sechswöchigen Online-Training vermittelt werden.
00:06:01: Anhand von Text, Grafiken, Video und Audio.
00:06:05: Machen kann man das Programm am Computer oder am Handy, egal, wo man ist.
00:06:10: Wir sehen uns nicht face-to-face.
00:06:12: Wir haben natürlich schon Kontakt per E-Mail.
00:06:15: Man kann bei uns nachfragen, man kann bei uns anrufen.
00:06:18: Aber man muss gar nicht vor Ort kommen.
00:06:20: Und damit ist das auch sehr schön.
00:06:22: Man ist frei, wo man es macht. Man kann es auch im Urlaub machen zum Beispiel.
00:06:26: Die Studie ist sogenannt randomisiert. Das bedeutet, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer
00:06:31: zufällig verschiedenen Gruppen zugeteilt werden. Die eine Gruppe bekommt die Akupressur, die andere
00:06:37: Gruppe bekommt die Achtsamkeitsübung und die dritte Gruppe wartet erst mal. Darf sich dann aber nach
00:06:43: den sechs Wochen aussuchen, welche der Interventionen sie von beidem möchte. Als erstes lernt man also die
00:06:50: Akupressur oder die Achtsamkeitsübung richtig anzuwenden. Dann geht es aber auch darum, dass man
00:06:57: die Technik regelmässig einsetzt, also längerfristig dranbleiben kann. Also wir kennen ja unseren
00:07:02: inneren Schweinehund. Wir haben alle gute Ideen, was wir verbessern wollen in unserem Lebensstil und
00:07:08: dann klappt das doch nicht so gut. Und es gibt bestimmte Dinge, die einem dabei helfen, wie
00:07:13: Ziele setzen, wie soziale Unterstützung haben. Und diese Methoden vermitteln wir auch. Es ist aber
00:07:20: überschaubar. Das ganze E-Learning selber oder wir nennen es lieber Online-Training, hat wirklich
00:07:25: nur drei Stunden Dauer, aber natürlich tägliches Üben dann. Achtsamkeit oder Akupressur.
00:07:31: Das Studien-Team will herausfinden, wie wirksam die Techniken sind, die Menschen mit Krebs in ihrem
00:07:37: eigenen Tempo über eine Online-Plattform gelernt haben. Es geht aber auch darum, dass in Zukunft noch
00:07:44: viel mehr Betroffene davon profitieren könnten, wie Claudia Witt von der Uni Zürich sagt. Es geht
00:07:50: vor allem auch um breiten Zugang. Also gerade jetzt die Akupressur ist ein schönes Beispiel. Es gibt
00:07:55: nicht so viele Ärztinnen oder Pflegekräfte, die einem das beibringen können. Das heisst, hier ist
00:08:01: immer ein Engpass im Zugang. Und wenn ich das online erlernen kann, dann spare ich mir auch
00:08:07: die Fahrzeit und alles. Aber ich habe natürlich einen viel niederschwelligeren Zugang, als wenn ich
00:08:13: nur wenige Fachexperten habe. Die Patientin Sibylle K., die wir am Anfang schon gehört haben,
00:08:19: ist in die Gruppe mit den Achtsamkeitsübungen gekommen. Sie sagt, das Training tue ihr gut. Allein
00:08:26: schon deshalb, weil sie selber etwas machen kann. Seit der Diagnose ist sie in der Situation, dass
00:08:32: eine Behandlung auf die nächste folgt. Viel Spielraum, um selber zu handeln, gibt es nicht.
00:08:37: Angefangen hat alles wie in einem Albtraum. Das hat vor zwei Jahren angefangen. Ich habe einen
00:08:44: ganz speziellen Lungenkrebs. Ich habe mein Leben lang nie geraucht. Der hat dann schon
00:08:50: metastasiert ins Hirn. Und erst das hat sich schlussendlich bemerkbar gemacht,
00:08:55: als ich mal auf dem Golfplatz war. Und plötzlich merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmt. Meine
00:08:59: Beine fingen an zu kribbeln. Dann bin ich in den Notfall. Dann haben sie herausgefunden,
00:09:05: zuerst meinten sie, es sei ein Schlaganfall. Dann sind sie zurückgekommen und haben gesagt, nein, das ist Krebs.
00:09:10: Ein Lungenkrebs also, der schon ins Gehirn gestreut hat. Ich hatte dann gerade am
00:09:15: nächsten Tag eine Hirn-Operation, weil ein Tumor grösser war. Den konnte man herausoperieren.
00:09:22: Und dann habe ich Hirn-Bestrahlungen gehabt. Chemotherapie, Immuntherapie, das ganze Programm.
00:09:30: Die Chemo- und Immuntherapie haben aber nicht gut genug angeschlagen, erzählt Sibylle K..
00:09:36: Und glücklicherweise hat man basierend auf einer Analyse ein zielgerichtetes
00:09:41: Medikament gefunden, wo die Ärzte das Gefühl hatten, ja, das könnte wirken. Ich glaube,
00:09:45: die Wahrscheinlichkeit war etwa 60%. Das Medikament hat wirklich sehr viel geholfen.
00:09:51: Es hat sogar den Lungenkrebs reduziert, sodass man auch die Lungen bestrahlen konnte.
00:10:00: Vorher war es viel zu viel Tumorgewebe, das man nicht bestrahlen konnte.
00:10:05: Und das wurde mit dem zielgerichteten Medikament möglich.
00:10:09: Die Fatigue spürt sie als Folge von all dem bis heute jeden Tag.
00:10:14: Um selber etwas dagegen zu machen, hat sie sich für die Studie gemeldet.
00:10:19: Ich habe das Training am Anfang unterschiedlich nach Tageszeit gemacht.
00:10:24: Gerade wenn ich Lust oder Zeit hatte, habe ich aber gemerkt,
00:10:27: ich muss mir wie einen Rhythmus schaffen, also zum Beispiel in meine Morgenroutine einbringen.
00:10:34: Und die Studie an sich hat mich natürlich auch motiviert, das zu machen,
00:10:38: weil ich eher jemand bin, der schon macht, was man machen soll.
00:10:42: Die sechs Wochen, die das Online-Training im Rahmen der Studie gedauert hat,
00:10:47: sind bei Sibylle K. in der Zwischenzeit vorbei.
00:10:50: Und trotzdem blieb sie dabei.
00:10:53: Sie macht die Achtsamkeitsübungen immer noch jeden Tag.
00:10:57: Es tut mir gut.
00:10:59: Es gibt mir eine gewisse innere Ruhe, gerade in angespannten Situationen.
00:11:03: Ich habe gemerkt, dass ich das eigentlich gerne mache.
00:11:07: Und ich freue mich fast jeden Tag darauf, das zu machen.
00:11:10: Und das ist jetzt die Routine eingebaut.
00:11:12: Wichtig ist jetzt für die Studie natürlich genau das Feedback,
00:11:16: wie Claudia Witt erklärt.
00:11:18: Genau, also wir haben ja bestimmte Dinge, die wir erheben.
00:11:21: Da sind Fatigue-Fragebögen, Schlaf-Fragebögen bei.
00:11:24: Es wird auch ein Tagebuch geführt.
00:11:26: Es wird auch eingetragen, ob man die Übungen gemacht hat.
00:11:29: Und dann ist das wie bei diesen klassischen, hochwertigen, randomisierten Studien,
00:11:34: dass man das mit einer guten Statistik im Gruppenvergleich auswertet.
00:11:38: Und wirklich schaut, wie ist das jetzt bei der Gruppe, die Akupressur gemacht hat,
00:11:42: versus der Gruppe, die jetzt gewartet hat und nichts gemacht hat.
00:11:46: [Musik]
00:11:51: Die Studie läuft weiter, noch bis ins Jahr 2027.
00:11:55: Es werden laufend Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesucht.
00:11:59: Melden kann man sich unter: www.icanselfcare.ch.
00:12:05: Für die Studie infrage kommen Erwachsene, die in den letzten fünf Jahren
00:12:09: mit einer Krebsdiagnose konfrontiert wurden.
00:12:13: Voraussetzung ist auch, dass man aktuell Erfahrungen hat
00:12:17: mit Fatigue- und Schlafproblemen oder mit einem von beiden.
00:12:22: [Musik]
00:12:42: Ein Podcast der Krebsforschung Schweiz.
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