Krebs im Alter – wenn der Gesundheitszustand die Therapie bestimmt

Shownotes

Bereits ihr Mann ist an Krebs gestorben. Nun hat Evi P. selbst die Diagnose erhalten: Mit 78 Jahren ist sie an Eierstockkrebs erkrankt und erhält nun eine Chemotherapie. Die Wahl der Therapie stellte – nur schon aufgrund ihres Alters – eine Herausforderung dar. «Ältere Patienten vertragen Chemotherapien, Bestrahlungen oder Operationen oft schlechter», erklärt Marcus Vetter vom Kantonsspital Baselland. Der Spezialist für Krebs im Alter setzt sich deshalb dafür ein, dass ältere Krebsbetroffene nicht einfach nach Schema X behandelt werden. In dieser Podcast-Folge erzählt er, welche Tests er bei älteren Patientinnen und Patienten vor Therapiebeginn durchführt, vor welchen Herausforderungen diese bei der Behandlung stehen und weshalb Forschung in diesem Bereich wichtig ist.

Hilfreiches Wissen in dieser Episode zu

  • Krebs
  • Krebsforschung
  • Chemotherapie
  • Dosis
  • Alter
  • Gebrechlichkeit
  • Frailty
  • Demenz

Mehr zum Podcast «Wissen gegen Krebs»

Hinter jeder Erkrankung steckt eine ganz persönliche, bewegende Geschichte, hinter jedem Forschungsprojekt ein engagierter Mensch, der ein klares Ziel verfolgt. Die Podcast-Serie «Wissen gegen Krebs» bringt diese beiden Pole zusammen: Eine Person mit Krebsdiagnose und ein Vis-à-vis in der Forschung, das alles daransetzt, dass Heilung nach einem Krebsbefall zur Regel wird.

Die Podcast-Serie sendet direkt aus dem trauten Heim, dem Spital, dem Labor oder dem Behandlungszimmer und gibt Einblick in die von der Stiftung Krebsforschung Schweiz unterstützten Projekte.

Jeden Monat wird eine neue Folge veröffentlicht. Hören Sie rein und abonnieren Sie den Podcast

Transkript anzeigen

00:00:00: * Sanfte Musik *

00:00:02: Ein Podcast der Krebsforschung Schweiz.

00:00:05: Evi P. hat vor Kurzem die Diagnose Eierstockkrebs erhalten.

00:00:17: Zuerst fand man, man operiere.

00:00:21: Dann hiess es, sie hätten aufgemacht und es sah so schlimm aus,

00:00:27: dass sie nicht operierten, sondern gerade alles wieder zugemacht haben.

00:00:32: Jetzt bekommt Evi P. zuerst eine Chemotherapie.

00:00:36: Sie ist 78, eine Krebspatientin, wie es viele gibt.

00:00:40: Denn mit dem Alter wird das Risiko, an Krebs zu erkranken, grösser.

00:00:44: Krebs im Alter ist das Thema dieser Episode

00:00:48: von "Wissen gegen Krebs", dem Podcast der Stiftung Krebsforschung Schweiz.

00:00:52: Ich bin Rebekka Haefeli.

00:00:54: * Sanfte Musik *

00:00:56: Spezialist für Krebs im Alter ist Marcus Vetter.

00:01:00: Wir wissen, dass Alter mit Gedächtnisproblemen,

00:01:03: zum Teil Demenz, einhergehen kann.

00:01:05: Wir wissen, dass Patienten mit Gebrechlichkeit

00:01:08: in der Regel die Therapien, die wir ihnen geben,

00:01:11: sei es Chemotherapie, Bestrahlung oder Operation, schlechter vertragen.

00:01:15: Darum ist es wichtig, dass besonders im Alter

00:01:19: nicht einfach nach Schema X therapiert werde, sagt Marcus Vetter.

00:01:23: Er ist Chefarzt und Leiter des Zentrums für Onkologie und Hämatologie

00:01:27: am Kantonspital Baselland.

00:01:29: Er ist auch Forscher und macht Studien auf verschiedenen Gebieten.

00:01:33: Unter anderem mit Unterstützung der Stiftung Krebsforschung Schweiz.

00:01:38: Ich treffe in Liestal zuerst Evi P.

00:01:41: Bei ihr war es schon am Anfang klar,

00:01:43: dass es eine längere Chemotherapie brauchen wird.

00:01:46: Das kann mit 78 schon allein aufgrund des Alter

00:01:50: eine schwere Strapaze sein.

00:01:52: Es fing eigentlich 

00:01:54: Ende letzten Jahres an, als ich plötzlich

00:01:57: so einen Druck im Magen hatte,

00:01:59: und dann so im Jänner habe ich mit der Zeit fast nicht mehr essen können,

00:02:03: ich hatte so einen Druck auf dem Magen.

00:02:05: Und dann, als es ganz akut war,

00:02:08: bin ich in den Notfall.

00:02:10: Dort haben sie dann

00:02:13: festgestellt, 

00:02:16: dass ich Krebs habe.

00:02:18: Und das ist vom Eierstock her, der Krebs.

00:02:22: Das hat sich im ganzen Bauch verteilt.

00:02:25: Evi P. hatte also schon Metastasen,

00:02:29: als man den Krebs bei ihr diagnostiziert hat.

00:02:32: Ein Schock für sie,

00:02:34: aber irgendwie ist sie trotzdem noch ruhig geblieben.

00:02:37: Schon ihr Mann ist vor zehn Jahren an Krebs gestorben.

00:02:40: Ich sah, dass man immer Hoffnung hatte.

00:02:43: Man hatte Chemo, und immer Hoffnung.

00:02:46: Denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

00:02:48: Und ich dachte, janu,

00:02:50: jetzt mal schauen, was bei mir passiert.

00:02:52: Bei ihr hat es dann also nach der Diagnose schnell geheissen,

00:02:56: sie müsse operiert werden.

00:02:58: Und zuerst hat man gefunden, dass man operiert.

00:03:02: Keine Modus ging länger.

00:03:05: Ich ziehe die OP vor.

00:03:07: Das haben sie dann gemacht.

00:03:09: Ich wurde im Februar in Basel operiert.

00:03:13: Dann hat es geheissen,

00:03:15: sie hätten aufgemacht.

00:03:17: Und es sah so schlimm aus, dass sie nicht operiert haben,

00:03:21: sondern gerade wieder alles zugemacht haben.

00:03:24: Und doch fanden, jetzt machen wir zuerst Chemotherapie.

00:03:28: Die Nachricht, dass man den Krebs noch nicht operieren kann,

00:03:31: hat sie ziemlich erschreckt.

00:03:33: Ich habe schon einen Moment gedacht, es sei so ein hoffnungsloser Fall.

00:03:38: Aber ich sage, ich war von Anfang an positiv eingestellt.

00:03:43: Ich habe gefunden, das schaffe ich schon.

00:03:46: Die erste Chemotherapie-Dosis erzählt Evi P.,

00:03:49: habe sie unmittelbar nach der Operation bekommen.

00:03:52: Sie war geschwächt, schon vor der Operation.

00:03:55: Wegen der Krebserkrankung mochte sie nicht mehr essen

00:03:58: und hat etwa 10 Kilo abgenommen.

00:04:00: Es war insofern gut, dass sie am Anfang nicht eine volle Dosis gegeben haben.

00:04:07: Ich hatte drei einzelne bekommen.

00:04:10: Die erste Chemo war auf drei Wochen aufgeteilt.

00:04:15: Ich habe das so gut vertragen,

00:04:18: dass alle um mich herum gestaunt haben,

00:04:21: dass ich das so gut vertrage.

00:04:23: Nach den drei Mal haben sie gefunden,

00:04:26: jetzt geben sie eine volle Dosis für drei Wochen.

00:04:29: Was jetzt mit einer voller Dosis ist,

00:04:32: ich bin halt nach der Chemo

00:04:34: so drei, vier Tage sehr müde.

00:04:37: Alles in allem vertrage sie die Chemotherapie

00:04:40: aber weiterhin ziemlich gut, sagt Evi P.

00:04:44: Sie hat nur manchmal ein wenig Durchfall

00:04:47: und eine trockene Nasenschleimhaut.

00:04:50: Sie hat Glück, sonst merke sie keine Nebenwirkungen.

00:04:54: Im Kantonsspital Liestal hat man ein sogenanntes Screening

00:05:00: mit älteren Krebspatientinnen und -patienten angefangen.

00:05:04: Ab 70 bekommt man einen Fragebogen mit acht Fragen,

00:05:08: die Aufschluss über den Allgemeinzustand geben.

00:05:11: Es geht bei dem Screening darum,

00:05:14: Vorerkrankungen oder altersbedingte Einschränkungen zu entdecken.

00:05:18: Das Ziel ist, die Therapie optimal anpassen zu können,

00:05:21: sodass die Betroffenen möglichst eine gute Lebensqualität

00:05:25: bei einer möglichst guten Prognose haben.

00:05:28: Der nächste Schritt nach dem Screening

00:05:32: ist die geriatrisch-onkologische Sprechstunde.

00:05:35: In dieser Spezialsprechstunde war auch Evi P.

00:05:38: Sie erinnert sich, dass sie ein paar Tests machen musste.

00:05:42: Was sie gemacht haben, ist ein Test von ...

00:05:46: einen Alzheimer-Test hatte ich das Gefühl.

00:05:49: Ich musste eine Uhr zeichnen und solche Sachen,

00:05:52: ob man geistig eigentlich fit ist.

00:05:55: So einen Test haben sie gemacht.

00:05:58: Aber ...

00:06:00: Der Chefarzt Marcus Vetter ist der Initiant

00:06:03: der Spezialsprechstunde.

00:06:05: Hier geht es darum, neben der Diagnose von Krebs,

00:06:08: auch andere Dinge zu erarbeiten.

00:06:11: Wie fit ist die Patientin?

00:06:13: Wir benutzen heute den Begriff "Frailty", also Gebrechlichkeit.

00:06:17: Wir wissen, dass Patienten mit Frailty, Gebrechlichkeit,

00:06:21: in der Regel die Therapien, die wir ihnen geben,

00:06:24: sei es Chemotherapie, Bestrahlung, Operation,

00:06:27: schlechter vertragen.

00:06:29: In dieser Sprechstunde überprüfen wir das, ob sie das haben.

00:06:33: Das macht man zum Beispiel anhand von Gedächtnis-Tests.

00:06:36: Wir wissen, dass Alter auch mit Gedächtnisproblemen, zum Teil Demenz, einhergehen kann,

00:06:41: was auch schlecht ist für die Verträglichkeit von Therapien oder auch für das Management von Therapien.

00:06:47: Daneben machen wir auch Labor-Tests, die in diese Assessments miteingehen.

00:06:52: Wir schauen das sogenannte Blood Age an.

00:06:55: Da schaut man letztendlich, ob es im Blut Hinweise gibt für eine Gebrechlichkeit, Frailty.

00:07:01: Auch im Blut kann man also Anzeichen entdecken,

00:07:04: die für eine Therapie entscheidend im Alter wichtig sein können.

00:07:08: Als Anhaltspunkt dienen nach den Tests sogenannte Scores,

00:07:12: eine Anzahl von Punkten, die man zusammenzählt und sich daran orientiert.

00:07:17: Es gibt evaluierte Scores, wo auch die Laborwerte miteingehen, die einem voraussagen können,

00:07:24: wie wahrscheinlich ist es, dass diese Patientin jetzt auf eine Chemotherapie höhere Nebenwirkungen hat.

00:07:30: In Summe hat man das letztendlich in grösseren Studien untersucht mit über 500 Patientinnen und Patienten,

00:07:37: und hat gesehen, wenn die Patienten so und so viele Punkte haben in dem Score, 

00:07:42: dann vertragen sie die Chemo einfach schlechter.

00:07:44: Ins Gewicht fallen auch andere Faktoren, wie die psychische Gesundheit oder die Bewegung,

00:07:49: die ältere Patientinnen und Patienten im Alltag haben.

00:07:53: Man weiss generell, wenn jemand Demenz hat, vermehrt stürzt, dass einfach die Mobilität

00:07:58: und die Anzahl der Schritte, die jemand pro Tag zurücklegt, schlechter ist.

00:08:02: Und das hat man dann korreliert. Auch in Studien, schon 2012

00:08:07: gab es eine französische Studie, die sich das angeschaut haben und die haben klar zeigen können,

00:08:12: wenn jemand nicht mehr so mobil ist, dement ist, dann wird auch die Sterblichkeitsgefahr

00:08:18: an einer Chemo deutlich, dreifach erhöht.

00:08:21: Deswegen misst man in diesen Assessments eben auch diese Faktoren, Beweglichkeit.

00:08:26: Wir machen auch so einen 4-Meter-Gehtest. Also wir messen, welche Zeit die Patientin braucht,

00:08:32: um 4 Meter vom Stuhl aufzustehen und zu laufen.

00:08:35: Da gibt es eben auch Massgaben, wenn das über eine bestimmte Zeit geht,

00:08:40: ist das auch eine höhere Gefahr, zum Beispiel Nebenwirkungen von der Chemotherapie schlechter zu vertragen.

00:08:46: Evi P. hatte zwar in diesen Tests keine auffällige Werte.

00:08:50: Aber, weil sie gerade frisch operiert die erste Chemotherapie bekam,

00:08:54: hat man die erste Dosis gedrittelt.

00:08:57: Der Grund, warum man so vorsichtig war, war die Wundheilung, die man nicht gefährden wollte.

00:09:03: Und man wollte die Komplikationen gerade nach der Operation durch Chemotherapie vermeiden.

00:09:09: Zu dieser gerontologisch-onkologischen Sprechstunde,

00:09:14: die etwas Neues ist, soll es auch eigene Studien geben.

00:09:18: Marcus Vetter sagt, Forschung in diesem Bereich sei dringend nötig.

00:09:23: Viele Onkologinnen und Onkologen geben den älteren Patientinnen und Patienten zwar am Anfang

00:09:29: eher reduzierte Chemotherapie-Dosen, aber erforscht sei das noch zu wenig.

00:09:35: Ich mache das auch, dass wenn ich jemand Älteres sehe, dass ich erstmal die vorsichtigere Dosis gebe.

00:09:40: Und da sieht man schon, dass sehr viel Dosisreduktionen und so weiter gemacht werden

00:09:46: und dass diese nicht unbedingt dem Patienten schaden bezüglich der onkologischen Prognose.

00:09:53: Trotzdem, ich bin Verfechter für Krebsforschung.

00:09:56: Es gibt mittlerweile Studien und da gibt es dann auch Entscheidungsgrundlagen.

00:10:01: Also das haben wir vereinzelt, aber einfach nicht breit genug und nicht für alle Patienten.

00:10:06: Die Entscheidungen, welche Therapie, welche man wählt und wie viele Nebenwirkungen jemand bereit ist

00:10:12: in Kauf zu nehmen, die Entscheidungen werden gerade bei älteren Leuten

00:10:17: häufig auch zusammen mit Angehörigen gefällt.

00:10:19: Ganz schwierig ist, wenn jemand nicht mehr urteilsfähig ist.

00:10:23: Es gibt manchmal auch natürlich die Situation, wo eine Vormundschaft besteht.

00:10:28: Und auch da müssen dann die Angehörigen mit dem Arzt, dem Arztteam klären, wie weit will man gehen,

00:10:33: was sind die Empfehlungen und letztendlich ist es natürlich auch immer schwierig,

00:10:38: eine Therapie mit jemandem zu machen, der das dann gar nicht mehr versteht,

00:10:42: zum Beispiel aufgrund der Demenzerkrankung.

00:10:45: Das sind dann auch für uns schon Herausforderungen im klinischen Alltag.

00:10:50: Evi P., die an Eierstockkrebs erkrankt ist, ist für ihr Alter in sehr guter Verfassung.

00:10:56: Sie ist mit 78 weder dement noch gebrechlich.

00:11:00: Die Chemotherapie verträgt sie bis jetzt gut und ihr Körper spricht auch gut darauf an.

00:11:06: Zum Termin, in dem ihre Diagnose und der Therapievorschlag besprochen wurden,

00:11:12: ist sie trotzdem nicht alleine gegangen.

00:11:14: Also da sind beide Kinder von mir, der Sohn und die Tochter, dabei gewesen.

00:11:21: Ich meine, da war man vor die Tatsache gestellt, dass ich jetzt Krebs habe.

00:11:25: Es wurde natürlich schon erklärt, dass das Medikamente seien,

00:11:31: welche auch das Immunsystem noch schwächen.

00:11:34: Aber ich habe das Gefühl, die Arzt haben das inzwischen so gut im Griff, dass ich mich wohlfühle dabei.

00:11:42: Evi P. geht sehr offen und bewusst mit ihrer Situation um.

00:11:47: Weil in ihrem Umfeld schon mehrere Menschen an Krebs erkrankt sind,

00:11:51: hat sie sich schon vor ihrer eigenen Diagnose damit auseinandergesetzt,

00:11:55: was für sie Lebensqualität bedeutet.

00:11:58: Nachdem mein Mann gestorben ist, habe ich auch eine Patientenverfügung gemacht.

00:12:05: Dort habe ich schon geschrieben, ich will dann, wenn ich quasi nur noch an Maschinen hänge,

00:12:14: dann will ich das nicht mehr.

00:12:16: Aber das ist wahnsinnig schwierig.

00:12:19: Im Moment nimmt sie Tag für Tag und freut sich, wenn es ihr gut geht.

00:12:24: Und sie hofft, dass sie bald wieder so fit ist wie vor der Diagnose.

00:12:29: Ich habe vorher das Grosskind immer wieder gehütet, habe den Hund gehütet,

00:12:35: bin mit dem Hund von der Tochter Gassi gegangen.

00:12:38: Die Tochter sagt immer, er habe mich auf Trab gehalten.

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00:13:01: Ein Podcast der Krebsforschung Schweiz

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